Berlin:

Habeck und Lemke bekräftigen Kritik an Atomregeln in Taxonomie

Die Bundesregierung hat in der Nacht zu Sonnabend ihre Stellungnahme zur Taxonomie nach Brüssel
übermittelt. Die Taxonomie ist ein EU-weit gültiges System zur Klassifizierung von Finanzprodukten.
Sie soll, Anlegerinnen und Anlegern Orientierung geben und Kapital in den grünen Umbau von
Energieproduktion und Wirtschaft lenken. Im Konkreten ging es um den sogenannten zweiten
delegierten Rechtsakt, mit dem die EU-Kommission Atomkraft und Gas mit in das Taxonomie-System
aufnehmen will. Hierzu hatte sie einen Entwurf vorgelegt.
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sowie Umweltministerin Steffi Lemke
erklärten: „Als Bundesregierung haben wir unsere Ablehnung zur Einbeziehung von Atomenergie nochmal
deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie ist risikobehaftet und teuer; auch neue Reaktorkonzepte wie
Mini-Reaktoren bringen ähnliche Probleme mit sich und können nicht als nachhaltig eingestuft
werden”, sagten Lemke und Habeck.
In der Stellungnahme weist die Bundesregierung zudem auf mangelnde Sicherheitsanforderungen im
Bereich der Atomkraft hin. Zudem bringt sie ihre Zweifel zum Ausdruck, dass die Aufnahme der
Atomenergie mit den Vorgaben der Taxonomieverordnung vereinbar ist und macht damit auf rechtliche
Bedenken aufmerksam.
Im Bereich Gas gab es Präzisierungshinweise an die Kommission. So braucht es aus Sicht der
Bundesregierung gesonderte Grenzwerte für Fernwärmenetze und für den Ersatz von alten durch neue
Gaskraftwerke. Weil die Wasserstoffproduktion in den ersten Jahren noch nicht im vollen Hochlauf
ist und zudem der grüne Wasserstoff auch für die Umstellung auf eine CO₂-neutrale
Industrieproduktion gebraucht wird, sollen die Bedingungen für die Übergangsphase noch angepasst
werden.


Habeck und Lemke betonten: „Sollte der delegierte Rechtsakt unverändert bleiben und die Kommission
die kritischen Stellungnahmen etlicher Mitgliedstaaten und auch unsere unberücksichtigt lassen,
sollte Deutschland ihn unserer Meinung nach ablehnen.”
Die Stellungnahme der Bundesregierung finden Sie hier.
Weitergehende Informationen und weiteres Verfahren:
1.Was ist Taxonomie?
Die Taxonomie ist ein EU-weit gültiges System zur Klassifizierung von Finanzprodukten. Sie soll,
Anlegerinnen und Anlegern Orientierung geben und Kapital in den grünen Umbau von Energie¬produktion
und Wirtschaft lenken. Das Finanzsystem spielt eine Schlüsselrolle im Übergang zu einer
emissionsarmen, ressourcenschonenden Wirtschaft. Die Europäische Kommission hat daher bereits im
Juni 2021 Kriterien vorgelegt, die dazu beitragen sollen, in der Europäischen Union mehr Geld in
nachhaltige Tätigkeiten zu lenken und Klimarisiken in Unternehmensbilanzen sichtbar zu machen.
2. Wie funktioniert die Taxonomie?
Rechtlich bildet die sogenannte EU-Taxonomie-Verordnung die Grundlage. Sie stärkt die
Markttransparenz für private Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Sie
etabliert ein Klassifikationssystem für den Finanzmarktbereich für ökologisch nachhaltige
Wirtschaftsaktivitäten, um Anreize für private Investoren zu schaffen, die Transformation zu einer
nachhaltigen Wirtschaft zu unterstützen.
3. Was sagt der erste delegierte Rechtsakt?
Zur Konkretisierung der Taxonomie-Verordnung gab es einen ersten delegierten Rechtsakt der
Europäischen Kommission, in dem die technischen Kriterien für die Ermittlung der Tätigkeiten
festgelegt werden, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den
Klimawandel leisten. Der erste delegierte Rechtsakt deckt wirtschaftliche Tätigkeiten von etwa 40 %
der börsennotierten Unternehmen in Sektoren ab, auf die knapp 80 % der direkten
Treibhausgas¬emissionen in Europa entfallen. Zu diesen Sektoren gehören Energie, Forstwirtschaft,
Herstellung, Verkehr und Gebäude. Ausgenommen aus dem ersten delegierten Rechtsakt wurde u.a. die
Energieerzeugung.

4. Warum gibt es überhaupt einen zweiten ergänzenden delegierten Rechtsakt?
Der erste delegierte Rechtsakt legt richtige, angemessene und strenge Maßstäbe an, um nachhaltige
Tätigkeiten zu klassifizieren. Nach Einschätzung des BMWK und des BMUV hätte es eines zweiten
ergänzenden delegierten Rechtsaktes nicht bedurft. Die EU-Kommission hatte sich aber bereits früh
im Verfahren öffentlich festgelegt, in einem solchen ergänzenden delegierten Rechtsakt Atomenergie
und Gas aufzunehmen. Diesen zweiten delegierten Rechtsakts hat die Europäische Kommission am
31.12.2021 in die Konsultation gegeben. Die EU-Mitgliedstaaten und andere Akteure konnten bis zum
21.01.2022 Stellungnahmen dazu einreichen.
5. Wie ist jetzt das weitere Verfahren?
Die EU-Kommission wird die bis zum 21.01.2022 eingegangenen Stellungnahmen nun prüfen und den
ergänzenden delegierten Rechtsakt finalisieren. Anschließend versendet die EU-Kommission den
Rechtsakt an die EU-Mitgliedstaaten. Ab dann läuft eine Frist von vier Monaten, verlängerbar auf
sechs Monate, innerhalb derer die Mitgliedstaaten einen Einwand gegen den delegierten Rechtsakt
erheben können. Der Rechtsakt gilt als angenommen, wenn es im Rat oder im Europäischen Parlament
keine qualifizierte Mehrheit von 20 der 27 Mitgliedstaaten, die zudem für 65 Prozent der
EU-Einwohner stehen, gegen ihn gibt. Die Hürden, den Rechtsakt zu stoppen, sind mithin hoch.

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/01/20220122-habeck-und-lemke-bekraeftigen-kritik-an-atomregeln-in-taxonomie.html

Quelle:abo-bmwi.de

 

Von redaktion